Neujahrsempfang mit Roderich Kiesewetter

Ein Plädoyer für Leistungsträger in Zeiten der Krisen

CDU-Neujahrsempfang mit Außenexperte Roderich Kiesewetter: „Standhaft bleiben gegenüber Putin“ / Henrichmann: Ampel verspielt Vertrauen in Staat

In Zeiten großer, bisher nicht gekannter sicherheits- und außenpolitischer Herausforderungen fand der Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbands Coesfeld statt. Angesichts der Gleichzeitigkeit der Krisen ist der Wunsch groß nach klaren Worten, nach Einordnung und nach Handlungsoptionen. All das bekamen die mehr als 250 Gäste im Stift Tilbeck von Roderich Kiesewetter, einem der profiliertesten Außen- und Sicherheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Der Bundestagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Marc Henrichmann freute sich, nach 2020 endlich wieder zu einem Neujahrsempfang einladen zu können. Das große Interesse belegte, wie sehr Mitglieder und Gäste den Austausch zum Jahresauftakt schätzen. Der Einladung gefolgt waren unter anderem Regierungsvizepräsident Ansgar Scheipers, Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr und seine Stellvertreterin Angelika Selhorst, die Landtagsabgeordneten Wilhelm Korth und Dietmar Panske, Klaus-Viktor Kleerbaum als Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion und der Ex-MdL und bulgarische Honorarkonsul Werner Jostmeier. Besonders dankte Henrichmann Thomas Kronenfeld und Guido Hoffmann als Geschäftsführern des Stiftes Tilbeck, das den Gertrud Teigelkemper-Saal zur Verfügung stellte.

Ein Plädoyer für alle, „die den Laden am Laufen halten“

Die Ansprache Henrichmanns war ein Plädoyer für die Leistungsträger unserer Gesellschaft, für diejenigen „die den Laden am Laufen halten“. Sie war ein Appell zu mehr Selbstverantwortung, zu einem stärkeren Fordern neben dem Fördern, zu mehr und den richtigen Prioritäten. Ein Problem mit den Einnahmen habe Deutschland nicht. Henrichmann rechnete vor: 896 Milliarden an Steuern haben Bund, Länder und Kommunen 2022 eingenommen. Der Finanzminister schätzt das Gesamtaufkommen für 2028 auf gar 1.124 Milliarden Euro. „Wenn das nicht reicht, was soll dann unsere Probleme lösen?“ Jetzt „Geld raushauen“, die Schuldenbremse aufweichen, „damit versündigen wir uns an unseren Kindern und Kindeskindern“.

Seine Folgerung: „Es geht um die Priorisierung.“ Von rund 496 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fließen über 50 Prozent in den Sozialbereich, aber nur 6,5 Prozent in Bildung und Forschung. Der Bereich Ernährung und Landwirtschaft, der jetzt den vermurksten Ampel-Haushalt retten sollte, macht gerade mal 0,4 Prozent aus.

„Wir haben als Gesellschaft die Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen“, unterstrich Henrichmann. Das bedeute aber nicht, dass der Bundeshaushalt auf Kosten derer saniert werden soll, die Leistung bringen. Schon jetzt tragen zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu 53 Prozent des Einkommensteuer-Aufkommens bei. Der Spitzensteuersatz beginnt bereits bei 62.000 Euro brutto.

Auf die Straße gehen deshalb längst nicht nur die Landwirtinnen und Landwirte – Michael Uckelmann als WLV-Vizepräsident und Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbands hieß er stellvertretend für die vielen Vertreter der Verbände und Vereine besonders zum Neujahrsempfang willkommen. Vielen, die sich um ihre Kinder kümmern, zur Arbeit gehen oder ein mittelständisches Unternehmen führen, „läuft die Galle über“.

Der Parlamentarier rief deshalb die Ampel dazu auf, sich die Ausgaben genauer anzusehen. Fast 13 Milliarden Euro bringt der Bund an Bürgergeld für ausländische Personen auf. Auf 28 Milliarden Euro summieren sich Leistungen für Asylbewerber. Zehn Milliarden Euro fließen an Klimahilfe in Entwicklungsländer. „Während in Polen über 70 Prozent der Ukrainer arbeiten, sind es bei uns keine 20 Prozent“ – auch das kostet dem Staat Geld. „Die Ampel agiert so, dass es den Leistungsträgern längst reicht.“

Ampel verspielt Vertrauen in die Demokratie

Eine verheerende Bilanz dieser Bundesregierung zog der Abgeordnete. Beispiele: Der Streit um ein unausgegorenes Heizungsgesetz, eine Kindergrundsicherung, die 5.000 neue Behördenstellen und somit mehr Bürokratie schafft, die schallende Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichts für die Haushalts-Tricksereien. Kein Grund zur Freude für die Opposition: „Es ist viel Vertrauen verloren gegangen, das politische Klima ist beschädigt worden.“ 

Wie die Koalitionäre das Klima vergiften, machte Henrichmann ebenfalls an Beispielen fest. Schnell werde der Opposition „AfD-Sprech“ vorgehalten. Das gelte für Kritik am Staatsbürgerschaftsrecht genauso wie für die Forderung nach Sanktionen für Bürgergeldempfänger, die zumutbare Arbeit ablehnen – eine Forderung, die der Bundesarbeitsminister dann Monate später selbst aufgreift. Wer das schon als rechtsradikal bezeichne, der verharmlose Extremismus. „Dem müssen wir uns in den Weg stellen.“

Der Vertrauensverlust in die Demokratie hat für Henrichmann aktuell einen Namen: Cem Özdemir, dessen Aussagen als Fachminister kein Gewicht haben und der von seiner eigenen Regierung übergangen wird. Der Bundes-Landwirtschaftsminister habe sich in der Regierungsbefragung zu den Beihilfen für die Landwirtschaft bekannt. „Das Wort eines Ministers gilt in dieser Regierung nichts mehr“, es hatte nur einen halben Tag Bestand. Deswegen unterstützt Henrichmann die Proteste, deswegen ärgert er sich über die Selbstgerechtigkeit derjenigen, „die die Klimakleber über alles heben, die Beschmierung des Brandenburger Tors für legitimen Protest halten und sich jetzt mit Volldampf an den Bauern abarbeiten“.

Dem wolle die CDU auch im Kreis Coesfeld ein Angebot entgegenstellen: „Ein Angebot an alle, die den Laden am Laufen halten“, eine Botschaft, dass Leistung sich noch lohnt. Ein Jahr des Dialogs und Aufbruchs kündigte Henrichmann an. „Von Antidemokraten, Schlechtrednern und einer heillos zerstrittenen Ampel lassen wir uns unser Land nicht kaputt machen.“ Politik lebe von Menschen, die Flagge zeigen, rief er zur Mitarbeit auf. „Kämpfen wir gemeinsam, es lohnt sich.“

Kiesewetter: Mehr Wertschätzung für Landwirte

Den Landwirten galten auch die ersten Worte von Roderich Kiesewetter. Er erlebte Minister Özdemir in seinem Wahlkreis in Ellwangen. Dort erklärte er, nicht in die Entscheidung des Kanzlers und der Vizekanzler eingeweiht gewesen zu sein. „Ein Minister der Union hätte es nicht gewagt, die Schuld auf zwei, drei Personen zu schieben“, kritisierte er das Abwälzen der Verantwortung. Landwirte, die ein halbes Prozent der Bevölkerung ausmachten, stellten die Ernährung von 80 Millionen Menschen sicher. „Sie haben mehr Wertschätzung verdient.“

Damit war der Bogen gespannt zur Ukraine, der einstigen Kornkammer – gerade für die Länder des unruhigen Nahen Ostens. 40 Millionen Tonnen Getreide fehlen durch Russlands Angriff. Der CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss führte auf, wie Putin planvoll auf Hunger und Energieknappheit hinarbeitete. Schon 2021 wies Russland Weißrussland an, keine Düngemittel zu exportieren. Gasspeicher, die Deutschland an Russland verkauft hatte, wurden nicht mehr befüllt.

Putins Antwort auf Verhandlungsangebote sind Kriegsverbrechen

Kiesewetter räumte auf mit der verbreiteten Behauptung, es sei nicht mit Putin verhandelt worden. „Scholz, Baerbock, von der Leyen, Blinken, Biden, alle sind nach Moskau gereist, um den Krieg zu verhindern. Selenskyj war zu Zugeständnissen bereit. Die Antwort der Russen auf Verhandlungsangebote war aber Butscha, Irpin und Mariupol“, erklärte der frühere Bundeswehr-Offizier mit Blick auf grausamste Kriegsverbrechen.

Für Kiesewetter ist die NATO-Osterweiterung nicht der Grund, der Putin zum Krieg gegen die Ukraine getrieben hat. Der CDU-Außenexperte sah die Erweiterung der NATO sowie der EU als Ergebnis eines legitimen Wunsches der Länder nach Sicherheit und wirtschaftlicher Prosperität. Sie aufzunehmen sei auch ein Verdienst Helmut Kohls gewesen. „Er hat Deutschland zum Anwalt der ostmitteleuropäischen Länder gemacht.“

Doch auch in Richtung Russland war die Hand immer ausgestreckt, erklärte er und verwies auf den NATO-Russlandrat, die Aufnahme in die G7 oder die NATO-Russland-Grundakte. Doch Russlands Herrscher ging es um anderes: „Für Putin ist nicht Holocaust oder Holodomor das größte Desaster des 20. Jahrhunderts, sondern der Zerfall der Sowjetunion.“ Er präsentierte sich als knallharter Machtpolitiker, der offen angesprochen hat: Für ihn sind die Ukraine und Weißrussland Teile Russlands.

Wir lösen den Konflikt nur mit Standhaftigkeit“

Und auch über seine weiteren Pläne lässt Putin keine Zweifel: Wenn die Ukraine nicht mehr existiert, sind Moldau und die baltischen Staaten als nächste an der Reihe. „Wir können es nachlesen, wir müssen es nur glauben“, appellierte Kiesewetter, die Drohungen ernst zu nehmen. „Wir werden den Konflikt nicht mit Verhandlungen lösen, sondern mit Standhaftigkeit.“

Standhaftigkeit, die er bei der Ampel vermisst. Scholz sei „ein Meister der Ankündigung“. Kiesewetter rechnete vor: Deutschland gebe der Ukraine vier Milliarden Euro Militärhilfe und vier Milliarden Euro für zivile Hilfe – das sind 30 Prozent der gesamten Unterstützung. 70 Prozent seien Bürgergeld für geflüchtete Ukraine. „Die Zukunft der Ukraine darf aber nicht im Bezug von Bürgergeld liegen, sondern darin, dass dieses Land wieder zur Kornkammer wird.“ 

An der Krim muss Putin scheitern“

Was braucht die Ukraine, wie kann Russland zum Einlenken bewogen werden? „Putins Schicksal ist mit der Krim verbunden. An der Krim muss er scheitern.“ Das hält Kiesewetter für realistisch, wenn die russischen Truppen auf der Halbinsel von der Versorgung abgeschnitten werden. „Dafür braucht die Ukraine die Taurus-Marschflugkörper“ – Waffen, die Scholz nicht liefern will. Der Außenpolitiker nimmt durchaus eine russische Opposition wahr, die Ideen für einen föderalen Staat hat. „Die guten Kräfte gibt es, sie müssen wir ertüchtigen.“ Dann, so seine Vision, könnten sich wie Adenauer und de Gaulle einstige Feinde als Freunde die Hand reichen. „Mit Putin geht das nicht.“

In der Fragerunde wurde weiter diskutiert, über den Terror der Hamas gegen Israel, über Militärhilfe für Saudi-Arabien und über den Iran. Den sollte Ministerin Baerbock als Feld ihrer „feministischen Außenpolitik“ entdecken, meinte Kiesewetter ironisch. „Man muss es nicht so nennen, aber man muss es machen.“

Nachdenken über ein Gesellschaftsjahr

Angesichts der Gleichzeitigkeit der Krisen hielt es Kiesewetter für dringend notwendig, über den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sprechen. Sein Vorschlag lautete, die Idee des verpflichtenden Gesellschaftsjahres aufzugreifen, die Freiwilligendienste aufzustocken und für solche Dienste auch diejenigen begeistern, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind.

„Wir sind ein starkes Land“, unterstrich Kiesewetter. Die CDU müsse nun mit einer guten programmatischen Idee an die Öffentlichkeit gehen und jedem Populismus die rote Karte zeigen. Was er sich für Deutschland wünscht: Eine Anstrengungskultur, die auch den Schwächeren die Wertschätzung zukommen lässt, die sie brauchen. Begleitet vom Blechbläserquartett des Jugendorchesters Havixbeck mit Musikschulleiter Rainer Becker ging es dann zum Empfang in den Räumlichkeiten der Bezirksregierung – wo es angesichts der eindringlichen Worte nicht an Gesprächsstoff fehlte.