Weg für Erdbebenopfer nach Lüdinghausen ist voller Hürden

Henrichmann: „Bund weckt Erwartungen und lässt Menschen im Stich“

Lüdinghausen. Schnell und unbürokratisch solle nach den Worten der Bundesinnenministerin die Visa für Menschen im türkisch-syrischen Erdbebengebiet vergeben werden. Doch die Realität sieht anders aus: „Wir wollen unsere Familie aus der Türkei raus holen“, sagen Julia und Kubilay Kodas. Doch bisher werden sie an allen Stellen ausgebremst, vom Auswärtigen Amt in Berlin bis zur Botschaft in Ankara. „Der Bund weckt Erwartungen uns lässt die Menschen im Stich“, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann.

Julia und Kubilay Kodas berichteten Marc Henrichmann (l.) und Bernhard Möllmann von den hohen Hürden, Verwandte aus dem Erdbebengebiet in der Türkei zu holen – trotz des Versprechens einer unbürokratischen Visavergabe. Foto: Büro Marc HenrichmannJulia und Kubilay Kodas berichteten Marc Henrichmann (l.) und Bernhard Möllmann von den hohen Hürden, Verwandte aus dem Erdbebengebiet in der Türkei zu holen – trotz des Versprechens einer unbürokratischen Visavergabe. Foto: Büro Marc Henrichmann

Der CDU-Innenpolitiker hat mit Ratsherr Bernhard Möllmann Familie Kodas in Lüdinghausen besucht. Was er zu hören bekam, ärgert ihn: „Frau Faeser sollte erklären, was sie unter unbürokratischer Hilfe versteht. Einer Krise kann ich nicht mit 08/15-Verwaltungshandeln begegnen“. Genau das erlebt die Familie. „Die Behörden bis zur kommunalen Ebene haben offenbar keine klare Vorgaben bekommen, wie sie mit Erdbebenopfern umgehen sollen, die ihre zerstörte Heimat verlassen müssen“, stellt Henrichmann fest.

Die Hürden auf dem Weg nach Lüdinghausen sind hoch für Schwiegereltern und die Schwägerin von Julia Kodas, die alles verloren haben. Der 75-jährige Vater von Kubilay Kodas ist zudem an Demenz erkrankt. Ohne Reisepass kein Visum, heißt es in Ämtern und Ministerien, mit denen Julia Kodas gesprochen hat. „Die Pässe liegen aber in den Trümmern.“ Für die Visaanträge muss sie eine Verpflichtungserklärung abgeben, mit der sie für die Familie bürgt. „Diese soll ich im Original in die Türkei schicken“, erklärt sie. In den Dörfern der Erdbebenregion wird allerdings keine Post zugestellt. Selbst wenn alles gut geht, weiß Julia Kodas nicht, wie die betagten Schwiegereltern ins 600 Kilometer entfernte Ankara gelangen sollen, um Visa zu beantragen.

Julia Kodas und ihr Mann würden sich sofort in einen Transporter setzen und die Verwandten aus ihrem 100 Einwohner-Dorf holen, wo sie bei Frost in Zelten campieren. Stattdessen fühlen sie sich hilflos. Vor Ort gibt es keine Medikamente für den kranken Vater, Hilfe der Türkei für das von Aleviten bewohnte Dorf kommt kaum an. „Wenn ich schnelle Verfahren verspreche, muss ich auch schnelle Verfahren ermöglichen“, erklärt Henrichmann, der sich ans Innen- und an das Außenministerium wenden wird. Warum reiche in dieser Ausnahmesituation nicht der Personalausweis für einen vorläufigen Aufenthalt, um dann in einem türkischen Konsulat einen Reisepass beantragen zu können? „Die Angst vor einem Missbrauch der Regelungen ist offenbar groß“, konstatiert er. Doch warum die Ampel, die die Augen vor irregulärer Zuwanderung eher verschließt, ausgerechnet hier so genau hinschaut, kann er nicht nachvollziehen.