Vertrauen in die Systeme der Alterssicherung schaffen
„Die drei Systeme der Alterssicherung haben sich grundsätzlich in den letzten 125 Jahren bewährt. Sie haben die Menschen zuverlässig für das Alter abgesichert und vor Altersarmut geschützt.“
„Das gilt in erster Linie für die umlagefinanzierte, gesetzliche Rente. Sie steht heute weitaus besser da, als noch vor einigen Jahren vorausgesagt. Der Beitragssatz ist mit 18,7 Prozent niedriger als prognostiziert, die Nachhaltigkeitsrücklage mit rund 32 Milliarden Euro solide finanziert und das Rentenniveau liegt ebenfalls über dem vorausberechneten Wert. Das liegt vor allem auch daran, dass wir in den vergangenen Jahren bereits viele Schritte getan haben, um die gesetzliche Rente zukunftsfest und generationengerecht auszugestalten.
Mit dem Rentenpaket hat die derzeitige Koalition wesentliche Leistungsverbesserungen eingeführt. Die Mütterrente, die abschlagsfreie Rente mit 63 oder der verbesserte Erwerbsminderungsschutz stellen wichtige Weichen für ein zukunftsfestes Rentensystem. Wir haben die steigende Lebenserwartung und die Generationengerechtigkeit im Blick.
Bis 2030 führen wir daher schrittweise die Rente mit 67 ein. Bei den Reformen , die jetzt beschlossen wurden, dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Bei der gesetzlichen Rente ist es wichtig, das Rentenniveau auch über 2030 zu stabilisieren. Wir müssen uns alle Stellschrauben genau ansehen: Eine Beteiligung der Beitragszahler oder längeres Arbeiten ist für ein stabiles Rentenniveau unentbehrlich. Wir dürfen die junge Generation aber nicht überfordern.
Die Betriebsrenten und die Privatvorsorge bleiben notwendige Bausteine für eine gute Absicherung im Alter. Im Grunde gewinnen sie sogar an Bedeutung. Auch hier hat die Koalition bereits reagiert und wesentliche Schritte unternommen, um die Betriebs- und Privatvorsorge zu stärken. Das gilt es nun weiter voranzutreiben.
Alle drei Säulen des Rentensystems sind auf Beiträge und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung angewiesen. Nur so können sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.
Klar ist: Wer im Alter ausreichend abgesichert sein will, muss in mindestens zwei der drei Säulen einzahlen. Um das Vertrauen der Menschen in die Systeme der Altersabsicherung zu stärken, bedarf es behutsamer und wohlbedachter Reformschritte. Sie müssen ausgewogen sein und sowohl die (zukünftigen) Rentner als auch die Beitragszahler in den Blick nehmen. Für die heutigen Rentner wird sich nichts ändern. Es geht jetzt darum, die bis 2030 ausgestalteten Mechanismen bis 2045 fortzuentwickeln. Zehn wesentliche Punkte sind in der Debatte zentral und diskussionswürdig:
Gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule stärken
Rentenniveau stabilisieren
Das Rentenniveau ist derzeit einer der zentralen Diskussionspunkte. Es ist nicht beliebig, sondern die Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab, die wohlbedacht sind. Da ein sinkendes Rentenniveau mit einem zunehmenden Armutsrisiko einhergeht, soll das Bruttorentenniveau bis 2030 und darüber hinaus bei 45 Prozent stabilisiert werden. Der Beitragssatz soll 2030 23 Prozent und 2040 24 Prozent nicht übersteigen. Der Vorschlag von Ministerin Nahles mit einem Rentenniveau von 46 Prozent bis 2045 geht hier zu weit und ist zu teuer. Das Rentenniveau hängt unmittelbar von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Es ist daher noch nicht abschätzbar, welche Mehrkosten bereits mit der Anhebung auf 45 Prozent entstehen. Diese könnten bis 2030 auf bis zu zehn Milliarden Euro anwachsen. Ein besseres Rentenniveau ist eben nie kostenlos zu erreichen.
Einnahmebasis verbreitern
Es soll zur langfristigen Sicherstellung der Rentenfinanzen geprüft werden, ob und wie die Einnahmebasis der Rentenversicherung verbreitert werden kann. So wie sich die Arbeitswelt und die Beschäftigungsformen und damit auch die Lebensgrundlagen wandeln, müssen wir auch die Finanzgrundlagen der Rente an die Entwicklungen anpassen, in denen die klassische Erwerbsarbeit an Bedeutung verliert. Zudem sollten sämtliche versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel abgedeckt sein. Entsprechend sollte die steuerliche Unterfütterung der Mütterrente nach 2018 ausgebaut werden.
Lebensleistungsrente systemkonform einführen
Die solidarische Lebensleistungsrente und die wesentlichen Voraussetzungen sind durch den Koalitionsvertrag vereinbart. Ihre Einführung ist allerdings umstritten. Wichtig ist, dass wir das Fürsorgeprinzip und Versicherungsprinzip auseinanderhalten. Die Vorschläge der Ministerin müssen wir sehr genau prüfen.
Absicherung von Soloselbständigen verbessern
Eine Altersvorsorgepflicht ist für alle Selbstständigen notwendig, die nicht bereits anderweitig abgesichert sind. Es zeigt sich zunehmend, dass die Handwerkerpflichtversicherung ein gutes Vorbild für soziale Sicherheit bislang ungesicherter Selbständiger ist. Damit wird gerade bei modernen, neuen Formen der Arbeitswelt, in denen sich Phasen abhängiger Beschäftigung mit Phasen selbständiger Tätigkeit abwechseln, eine größere Kontinuität erzeugt. So würden sich auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen beispielsweise für eine Erwerbsminderungsrente verbessern. Ungesicherte Selbständige sollten aber zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen Vorsorgearten wählen können. Ihnen könnten wir dabei im Rahmen eines Pilotprojekts zusätzlich anbieten, mit einem neuen Standardprodukt (‚Deutschlandrente‘) vorzusorgen.
Flexiblerer Übergänge und demografische Herausforderung
Mit dem Gesetz zur Flexi-Rente haben wir bereits einen wichtigen Baustein für eine moderne und zukunftsfeste Rente beschlossen. Das Gesetz ermöglicht längeres Arbeiten und senkt so auch die Gefahr von Altersarmut. Wer neben der Rente arbeitet, kann jetzt auch seine späteren Rentenansprüche aufbessern. Wir wollen auch die Anreize zur Nutzung der Flexi-Rente erhöhen. Das System von Zu-und Abschlägen soll transparenter und anschaulicher werden, indem z. B. die bisherigen Altersgrenzen in Altersstufen umgewandelt werden. Die Anhebung der bisherigen Altersgrenzen kann so über 2030 hinaus fortentwickelt und flankiert werden. Die Flexi-Rente ist auch als Gegenpol zur Rente mit 63 wichtig. Denn: Die Lebenserwartung steigt und wir sind in einer älter werdenden Gesellschaft auf eine höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen angewiesen.
Betriebsrenten stärken
Derzeit besitzen etwa 60 Prozent der Beschäftigten eine Betriebsrentenanwartschaft. Mit der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie hat die Koalition bereits zuvor die Portabilität und die Unverfallbarkeit der Betriebsrenten verbessert. Die Betriebsrenten sollen nun weiter gestärkt und ihre Verbreitung in kleinen und mittelständischen Betrieben erhöht werden. Dazu liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der viele wichtige Schritte enthält. Förderwege sollen vereinfacht und zielgenau so ausgebaut werden, dass Geringverdiener besser angesprochen werden. Hier soll der Arbeitgeber einen Zuschuss bekommen, wenn der Arbeitnehmer weniger als 200 € verdient. Zudem soll die steuerliche Förderung von vier auf sieben Prozent erhöht werden. Mit dem Sozialpartnermodell sollen Tarifvertragsparteien neue Wege bei der Betriebsrente gehen und unter anderem eine Zielrente vereinbaren können.
Privatvorsorge stärken
Privatvorsorge bleibt für ein lebensstandardsicherndes und auskömmliches Alterseinkommen unverzichtbar. Dabei schwächeln die kapitalgedeckten Vorsorgeformen derzeit aus verschiedenen Gründen. Insbesondere wegen der Finanzkrisen und der Niedrigzinsphase scheuen viele Menschen das Kapitalmarktrisiko. Manche Produkte haben die Erwartungen nicht erfüllt. Renditen sind allerdings langfristig zu betrachten und nicht nur kurzfristig. In der Kritik ist die Riester-Rente, nicht zuletzt wegen des Geschäftsgebarens mancher Anbieter, das nicht immer förderlich war. Der Gesetzgeber hat hier bereits gegengesteuert und beispielsweise Wechselkosten begrenzt. Immerhin mehr als 16 Millionen Menschen haben einen Vertrag abgeschlossen. Allerdings ruhen rund 20 Prozent dieser Verträge und werden nicht (mehr) angespart. Die Förderung zielt auf Geringverdiener und wirkt auch bei mittleren sowie bei besseren Einkommen. Rund zwei Drittel der Zulagenempfänger haben ein Bruttojahreseinkommen von weniger als 30.000 Euro. Gleichwohl sorgen viele Geringverdiener nicht privat vor. Es ist zu begrüßen, dass mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz die Grundzulage von 154 auf 165 Euro erhöht werden soll. Die Förderung der privaten Altersvorsorge sollte nicht abgeschafft werden. Es ist jedoch zielführend, die Vorsorgeformen auf Effizienzgesichtspunkte hin zu überprüfen und zu optimieren. So sollte die geförderte Altersvorsorge zum Beispiel mit einem neuen Standardprodukt auf den Weg gebracht werden, das bestimmte Kriterien erfüllt und unter dem Dach staatlicher Kontrolle angeboten werden soll. Die Förderung sollte künftig für jedermann zugänglich sein, der hier unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig ist, mindestens aber auch für Selbständige. Auch der Freibetrag auf die Grundsicherung, der mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführt werden soll, ist hilfreich.
Absicherung bei Erwerbsminderung ausbauen
Erwerbsminderung geht mit einem hohen Armutsrisiko einher. Die Erwerbsminderungsrente ist daher ein wichtiger Baustein, um finanzielle Ausfälle zumindest teilweise auszugleichen. Mit der Verlängerung der sogenannten Zurechnungszeit sowie Verbesserungen bei der Rehabilitation hat die Koalition bereits wichtige Schritte eingeleitet. Es ist gut, dass der Koalitionsausschuss hier ansetzt und die Zurechnungszeit weiter ausbauen will. Versicherungsmathematische Abschläge haben ihre Berechtigung in der längeren Laufzeit und der Beseitigung von früheren Fehlanreizen. Sie sollten wir nicht abschaffen. Maßnahmen der Prävention sowie der Grundsatz Reha vor Rente gewinnen an Bedeutung und sind weiter zu stärken. Arbeitsplätze müssen altersgerecht ausgestaltet sein. Außerdem soll der Erwerbsminderungsschutz in der Betriebsrente und der Privatvorsorge ausgebaut werden. Die steuerliche Förderfähigkeit von Produkten soll sich auch stärker daran ausrichten, inwieweit ein Erwerbsminderungsschutz vorgesehen ist.
Einheitliche Vorsorgeinformation einführen
Den Menschen fehlt oft der Durchblick, was sie aus verschiedenen Systemen an Alterseinkommen zu erwarten haben. Eine einheitliche Vorsorgeinformation soll künftig einen besseren Überblick darüber geben, in welchem Umfang man vorgesorgt hat und welche Einkünfte daraus später resultieren. Die Menschen müssen eine Orientierung darüber haben, was Ihnen aus den Systemen der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge am Ende zum Leben bleibt.
Ost/West-Rentenangleichung
Die Angleichung der Renten zwischen Ost und West ist weit fortgeschritten. Grundsätzlich folgen die Renten der Lohnentwicklung. Denn von diesen Löhnen werden die Beiträge gezahlt und die Renten finanziert. Mit fortschreitender Lohnangleichung gleicht sich das Rentenniveau an. Die Ost-West Rentenangleichung wird nun in mehreren Schritten bis 2025 forciert.
Nachhaltigkeitsrücklage
Zur Stabilisierung der Rentenfinanzen sollte schließlich die untere Grenze der Nachhaltigkeitsrücklage auf 0,4 Monatsausgaben angehoben werden.“