„Wir müssen die Dinge jetzt mit Klarheit und Konsequenz anpacken“
AZ: Sie haben viele Firmen während Ihrer Sommertour besucht. Was haben sie gesagt, wo drückt der Schuh bei ihnen am meisten?
Schiewerling: Wirtschaftlich geht es den Betrieben gut. Die Aufträge sind da, das Geschäft läuft. Auch das Thema Digitalisierung gewinnt an Bedeutung. Allerdings haben viele Firmen Probleme, Auszubildende zu finden. Auch Fachkräfte, gerade in Handwerksberufen, sind Mangelware. Hier kommt zu wenig nach. Dabei ist unsere duale Ausbildung international wegen ihrer hohen Qualität sehr angesehen. Das müssen wir allerdings auch den jungen Menschen klarmachen, die gerade ihren Schulabschluss in der Tasche haben und sich jetzt zwischen Studium und Ausbildung entscheiden müssen. Nicht selten verdienen gut ausgebildete Handwerker mehr als mancher Akademiker.
AZ: Sie waren auch bei Firmen, die Flüchtlinge eingestellt haben. Welche Erfahrungen sind Ihnen dort mitgegeben worden?
Schiewerling: Die Erfahrungen sind größtenteils positiv. Die Männer und Frauen sind sehr engagiert und wollen arbeiten. Sie sind froh, wenn sie eine Chance bekommen und wollen diese auch nutzen. Natürlich sind viele von ihnen nicht nach unseren Standards ausgebildet, aber die Betriebe sind bereit nach zu schulen. Manche sind aber auch sehr gut ausgebildet und können direkt als vollwertige Fachkraft in das Tagesgeschäft einsteigen. In jedem Fall spielt aber der Spracherwerb eine große Rolle. Hier müssen wir jetzt mit Konsequenz daran arbeiten, dass die Menschen Sprachkurse besuchen und schnell Deutsch lernen können.
AZ: Was kann die Bundespolitik hier ändern?
Schiewerling: Mit dem Integrationsgesetz haben wir bereits wichtige Weichen für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen gestellt. Durch zusätzlich 100.000 Arbeitsgelegenheiten sollen Flüchtlinge einen niedrigschwelligen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen und es gibt zusätzliche Sprach- und Integrationskurse. Wir stellen außerdem sicher, dass Flüchtlinge in Ausbildung auch für die gesamte Dauer der Ausbildung in Deutschland bleiben dürfen. Wer nach der Ausbildung einen Job findet, erhält für weitere zwei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis. Das Gesetz ist seit einigen Wochen in Kraft und muss jetzt erstmal seine Wirkung entfalten. Das geht nicht von heute auf morgen.
AZ: Kritik gibt es von verschiedenen Seiten an der Organisation der Integrationskurse. Ist Ihnen das auch vorgetragen worden – und was müsste getan werden?
Schiewerling: Das Problem ist, dass das BAMF die Kurse genehmigen muss. Das hängt momentan ein bisschen, da wir natürlich unzählige Anträge haben. Zudem muss für die Bearbeitung der Aufenthaltsstatus der Menschen klar sein. Es wurden nun zusätzliche BAMF-Außenstellen eingerichtet, eine davon auch in Münster. Dadurch werden die Verfahren weiter beschleunigt und auch die Anträge für Sprach- und Integrationskurse zukünftig schneller bearbeitet. Das alles muss sich jetzt zügig einspielen. Einige Flüchtlingsinitiativen haben mit der neuen Außenstelle bereits positive Erfahrungen gemacht.
AZ: Auch mit den Flüchtlingsinitiativen im Kreis Coesfeld haben Sie ja gesprochen und sich Projekte angesehen. Welche haben Sie besonders beeindruckt?
Schiewerling: Ich bin generell überwältigt von dem riesigen Engagement, das wir hier im Kreis Coesfeld haben. In jeder Gemeinde gibt es eine ökumenische Flüchtlingshilfe und viele andere wichtige Initiativen. Die Menschen stecken viel Kraft und Zeit in diese Arbeit. Doch wir müssen jetzt auch aufpassen, dass wir die Helfer nicht zu sehr belasten. Die Verfahren dauern oft zu lange und es fehlt die Transparenz und Klarheit zwischen den Behörden. Das verunsichert und frustriert. Wir müssen die Dinge jetzt mit Klarheit und Konsequenz anpacken.
AZ: Was muss aus Sicht der Flüchtlingsinitiativen besser laufen?
Schiewerling: Von vielen Seiten habe ich gehört, „das, was wir selber in der Hand haben, haben wir auch im Griff“. In den Flüchtlingsunterkünften im Kreis Coesfeld geht es vorwiegend harmonisch zu. Durch das große Engagement gelingt Integration in vielen Bereichen bereits gut. Wir dürfen die Menschen aber nicht zu lange im Unklaren über ihre Existenz lassen, sonst kann die Situation auch sehr schnell umschlagen.
AZ: Wie können Sie ihnen konkret helfen?
Schiewerling: Zunächst einmal spreche ich mit den Menschen vor Ort. Der Austausch ist enorm wichtig. Nur so bekomme ich mit, wo es hakt und was die Probleme sind. An den Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Behörden laufen die Verfahren nicht rund. Durch Telefonate und Gespräche nehme ich hier eine Mittlerfunktion ein und versuche die Verfahren für die Initiativen transparenter zu machen. Das, was ich hier mitbekomme und höre, nehme ich außerdem mit nach Berlin und bringe die Kritik und Anregungen in die Bundespolitik ein. Ich helfe zudem über den Verein „Hoffnungsschimmer“ aktiv dabei, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Der Verein aus Senden leistet in dieser Frage wichtige Arbeit.