„Regional den richtigen Mix finden“

Fachkräftemangel vorbeugen: Vier Experten – viele Lösungsansätze bei Arbeitnehmerkonferenz in Coesfeld

Wie ist dem drohenden Fachkräftemangel im Kreis Coesfeld beizukommen? Mit mehr Zuwanderung aus dem Ausland? Mit mehr Frauen in Beschäftigung? Mit mehr länger arbeitenden Arbeitnehmern? Mit mehr Chancen für junge Leute ohne (Schul-)Abschluss? Die eine Antwort auf diese Frage, da waren sich die Experten auf dem Podium der Arbeitnehmerkonferenz von CDA, KAB und Kolping in den Handwerks-Bildungsstätten in Coesfeld schnell einig, gibt es nicht. Um sich der Herausforderung des demografischen Wandels zu stellen, muss eine Vielzahl von „Schalthebeln“ umgelegt werden.
„Das größte Potenzial liegt bei den Frauen“, meinte Raimund Becker vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, der aktuell schon einen akuten Mangel an Ingenieuren, Ärzten und Altenpflegern sieht. Das Problem wird sich nach seiner Einschätzung aber noch verschärfen und auf viele Branchen ausdehnen, denn „in den nächsten 20 Jahren werden wir in Deutschland 10 Millionen weniger – und wir werden alle älter“. „Große Kohorten von gut qualifizierten Leuten gehen in Ruhestand“, berichtete er. Können sich Arbeitgeber derzeit noch die Arbeitnehmer aussuchen, wird sich das demnächst umkehren. Becker: „Der künftige Markt wird ein Arbeitnehmer-Markt sein.“ Vor Ort, regional, hob er hervor müsse der richtige Mix gefunden werden, um dem Problem zu begegnen.

Auch auf die Selbständigen-Kultur im Kreis Coesfeld, machte Dr. Michael Oelck, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Coesfeld, deutlich, werde die Entwicklung Auswirkungen haben: „Es wird für Betriebsinhaber immer schwieriger einen Nachfolger zu finden.“

Als „ganz wichtigen Punkt“, um Arbeitnehmer zu halten, nannte Oelck die Familienförderung im Betrieb. Familie und Beruf müssten besser miteinander vereinbar werden. Dann werde die Situation auch für Frauen besser. Anhand eigener Erfahrungen in den Handwerks-Bildungsstätten machte er deutlich, dass Schwächere nicht zurückgelassen werden dürfen: „Wir brauchen alle.“ So seien die meisten jungen Leute motivierbar, „wenn man sich um sie kümmert.“

Elke Hannack, stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende, warnte davor, ausländische Kräfte für die Pflege zu holen. „Zuerst sollte man sich mal die Arbeitsbedingungen in der Branche angucken“, unterstrich sie, dass dort einiges im Argen liege – nicht nur bei der Bezahlung. Sie meinte, dass die Arbeitgeber vieler Branchen durch sinkende Ausbildungsbereitschaft mit verantwortlich dafür seien, wenn es in Zukunft weniger qualifizierte Fachkräfte gebe: Im letzten Jahr sei die Zahl der Ausbildungsabschlüsse um 3,2 Prozent zurückgegangen – auf 550 000, „der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung“.

Es schloss sich eine muntere Diskussion an, in der vor allem den Vertreter der Bundesagentur auch einige Vorwürfe trafen – zum Beispiel, dass seine Behörde an der falschen Stelle spart – zum Beispiel bei Fortbildungen. Die Mittel seien nicht reduziert, nur „zielgerichteter eingesetzt worden“, antwortete er.

Der Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, der die Konferenz initiiert hatte, richtete am Ende noch einmal den Blick auf die Jugendlichen, deren Stärken nicht in der Schule liegen, sondern eher im Praktischen: „Nicht jeder Maler und Lackierer muss Pythagoras kennen.“ Er appellierte an die Arbeitgeber, gerade diesen jungen Leuten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.