Es war mehr als „nur“ ein Bekenntnis zur Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Vielmehr war es ein beeindruckendes und engagiertes Plädoyer – zum einen für eine Stärkung des Prinzips der Selbstverantwortung, zum anderen für mehr Demokratie, Teilhabe und Transparenz bei den Sozialwahlen. Wie ein roter Faden zogen sich diese Leitdanken durch den gesamten Fachkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema „Selbstverwaltung stärken – Sozialwahl modernisieren“. Initiiert und organisiert war der Kongress vom arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling. Und das mit enormer Resonanz: Im Fraktionsaal diskutierten über 300 hochkarätige Experten und Beteiligte – Vertreter der Sozialkassen, gewählte Selbstverwalter, Gewerkschafter, Arbeitgeber und Sozialpolitiker – über die Zukunft der Selbstverwaltung und besonders über eine Reform der Sozialwahlen. Am Ende stand denn auch der Appell von Schiewerling, dass nun die Reform durch die Union angepackt werden müsse. Gute Gründe habe der Kongress dazu hinreichend geliefert.
Am „Ob“ der Selbstverwaltung ließen Fraktionsvorsitzender Volker Kauder sowie AG-Sprecher Karl Schiewerling keinerlei Zweifel zu. Im Gegenteil. Kauder hob hervor, dass die Selbstverwaltung wie kaum etwas anderes dem Prinzip der Subsidiarität entspräche. Ein urchristsozialer und christdemokratischer Grundsatz eben. Das Bekenntnis zur gebotenen Staatsferne und zur Eigenverantwortung in der Frage, dass Menschen ihre soziale Sicherung am besten selbst organisieren können, machte aus Unions-Sicht auch Karl Schiewerling deutlich. Und mit Blick auf die deutsche Geschichte seit Bismarck verwiesen Kauder und Schiewerling auf die Bedeutung und Chancen einer dezentralen Selbstverwaltung aus gesellschafts- und staatspolitischer Sicht.
Das Bekenntnis zum Grundsatz schließt jedoch keine guten Gründe zur Reformnotwendigkeit aus: „Diese Wahlen sind wie ein Feuerwerk ohne Feuer“, brachte als einen dieser Gründe Gerald Weiß auf den Punkt. Der frühere Unions-Abgeordnete und heutige Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen stellte nicht nur die Zahlen der Wahlbeteiligung vor: Nur ein Drittel der Versicherten nahmen zum Beispiel 2011 ihr Wahlrecht bei den 206 Trägern der Renten-, Kranken- und Unfallversicherungen teil. Und bei gerade einmal 10 Trägern gab es eine echte Urwahl, der Rest lief über die sogenannte Friedenswahl. Weiß brachte auch gleich seine Vorstellungen zu einer Re-Demokratisierung und Re-Vitalisierung der Sozialwahlen mit ein, die im Podium und unter den Teilnehmern intensiv und zum Teil auch kontrovers debattiert wurden.
Just die Frage der demokratischen Legitimation angesichts der Wahl-Realität warf Bundesarbeiterministerin Ursula von der Leyen auf. Sie rief zu mehr Transparenz in den Auswahlverfahren, zu mehr echten Wahlmöglichkeiten unter verschiedenen Kandidaten und zu mehr Vielfalt in den Gremien auf. Zudem hinterfragte sie, ob die Vertreterversammlungen einen echten Spiegel der Versicherten darstellen. Dennoch zollte die Ministerin den Vertretern in den Gremien hohen Respekt und großen Dank für ihr Engagement. Von der Leyen plädierte dafür, nicht das „Ob“ sondern das „Wie“ einer Reform in den Vordergrund zu stellen: „Wir sollten kluge neue Wege einschlagen!“.
Eine Stärkung der Urwahl gerade bei den Krankenkassen wünschte sich der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. Er rief dabei in Erinnerung, welchen Gestaltungsspielraum gerade bei den Krankenkassen für die Veraltungsräte bestehen. Spahn sprach als Stichworte die Finanzhoheit, die Finanzautonomie sowie die Satzungsleistung der Kassen innerhalb des gesetzlichen Rahmens an.